Viele Menschen mit Depersonalisationserkrankung berichten von diversen Einschränkungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit. Für etliche ist die Erkrankung mit einem ständigen Grübeln und Gedankenkreisen verbunden. Themen sind das veränderte Erleben, das eigene Ich, die Zukunft …
Auch erleben viele Betroffene eine gedankliche Unruhe, die sich bis hin zu ausgeprägten Konzentrationsstörungen steigern kann. Den Betroffenen fällt es schwer, bei einer Sache zu bleiben, sie können anderen Menschen nur schwer zuhören, die Fokussierung ist deutlich eingeschränkt. Manche Betroffene beschreiben einen regelrechten Nebel im Gehirn („brain fog“), der ihnen zeitweise das Denken sogar unmöglich macht. Die Betroffenen tappen dann wie blind im eigenen Gehirn umher auf der Suche nach irgendetwas. Gedanken sind für sie nicht mehr fassbar, Worte fallen ihnen nicht mehr ein. Das bildliche Vorstellungsvermögen kann ebenfalls eingeschränkt sein.
Auch das Erinnerungsvermögen beschreiben die Betroffenen als deutlich beeinträchtigt. Dies zeigt sich zum einen in der Schwierigkeit, etwas zu lernen und das Gelernte auch zu behalten. Zum anderen ist das Zugreifen auf zurückliegende Erinnerungen deutlich eingeschränkt. Sich nicht erinnern zu können, ist für viele Betroffene mit großer Scham verbunden, so dass sie Gesprächen über Vergangenes oft ausweichen aus Angst davor, andere könnten bemerken, dass sie einen Großteil des Geschehens vergessen haben.
Die kognitiven Beeinträchtigungen in Verbindung mit den Beeinträchtigungen des Sinneserleben führen bei vielen Betroffenen zu einer ständigen Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung. Oft fällt es ihnen schwer, sich noch zu irgendetwas zu motivieren.
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Die kognitiven Einschränkungen werden von den meisten Betroffenen von Depersonalisation als besonders belastend erlebt. Diesbezüglich ist es hilfreich, sich immer wieder bewusst zu machen, dass kognitive Einschränkungen wie Erschöpfung oder Konzentrationsschwäche nicht nur Menschen mit Depersonalisation betreffen. Sie sind geradezu symptomatisch für das moderne Leben mit andauerndem Stress, Druck von außen sowie dem Anspruch, möglichst viele Dinge in möglichst kurzer Zeit zu erledigen. Auch unter mangelhafter Merkfähigkeit leiden viele Menschen mit und ohne Depersonalisation. Es ist normal, sich in der Fülle der Informationen und Erlebnisse nicht alles merken zu können.
Gegen die bleierne, gedankliche Müdigkeit, die Schwärze im Kopf oder den „brain fog“ beschreiben es viele Betroffene als hilfreich, den Sauerstofftransport im Blut anzuregen, um auch das Gehirn mit mehr Sauerstoff zu versorgen. Ein schneller Spaziergang an frischer Luft oder das Inhalieren von Sauerstoff aus einer Sauerstoffflasche sind hier gute Methoden. Wie oben näher beschrieben (Körperliche Beschwerden), können auch tatsächliche Mängel hinter einer schlechten Sauerstoffversorgung stehen, so dass es sinnvoll sein kann, Blutwerte überprüfen zu lassen und eventuell Eisen oder auch Vitamin D auszugleichen. Einige Betroffene beschreiben darüber hinaus die Einnahme von Omega 3 oder N-Acetylcystein Kapseln als hilfreich gegen die Gedankenleere.
Betroffene, die von Konzentrationsschwäche betroffen sind, erfahren oft Erleichterung, wenn es ihnen gelingt, nicht allzu lange am PC bzw. nicht zu eintönig arbeiten zu müssen. Oft bessert sich die Konzentrationsfähigkeit, wenn einer abwechslungsreicheren Tätigkeit nachgegangen wird bzw. wenn die normale Tätigkeit etwas abwechslungsreicher gestaltet wird, etwa durch Aufstehen, Umhergehen, Arbeiten im Stehen … Eine gute Möglichkeit, wieder etwas mehr Konzentrationsfähigkeit zu erlangen, ist ein nicht zu einfaches Kopfrechnen, etwa von der Zahl 200 immer 7 abzuziehen bis man bei Null angekommen ist. Solche Denkaufgaben kann man einfach zwischenreinschieben, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekommt. Viele Betroffene berichten, dass es ihnen auch hilfreich sei, ausreichend zu schlafen bzw. dass die erlebte Konzentrationsschwäche durch Schlafmangel verstärkt werde. Oft hilft auch schon ein kurzes Ausruhen.
Seit einiger Zeit sind einige PC Programme auf dem Markt, mit denen die kognitive Leistungsfähigkeit gezielt trainiert werden kann. Betroffene, die unter starken kognitiven Einschränkungen leiden oder die das Gefühl haben, ihre kognitive Leistungsfähigkeit verschlechtere sich stetig, könnten eines dieser Programme einmal ausprobieren.
Betroffene von Depersonalisation, die das Gefühl haben, sich Dinge nur mehr schlecht merken zu können, greifen häufig darauf zurück, Erlebnisse in Form von Videos oder Fotos festzuhalten. Gemeinsam mit einer kurzen Beschreibung des jeweiligen Geschehen kann daraus ein bildliches Tagebuch entstehen. Wird dieses häufiger zur Hand genommen, bleiben die Erinnerungen eher lebendig. Hierbei gilt: je sinnlicher ein Erlebnis festgehalten wird, desto leichter fällt die Erinnerung. Betroffene sollten allerdings darauf achten, nicht nur außergewöhnliche Erlebnisse festzuhalten, sondern auch Alltägliches, wie etwa Gespräche mit PartnerInnen oder Kindern, da gerade diese es häufig sind, deren Erinnerung schwer fällt, weil sie eben nicht außergewöhnlich sind.
Es hilft auch, immer wieder mit anderen Personen, mit denen man Ereignisse gemeinsam erlebt hat, zu reden. Warum sich nicht gemütlich zusammensetzen und über vergangene Urlaube, Geburtstagsfeiern, Ausflüge reden? Allerdings erfordert dies ein gewisses Maß an Vertrauen, da Betroffene von Depersonalisation sich zumindest ein wenig „outen“ müssen.
Sind Menschen mit Depersonalisation von mangelhafter Merkfähigkeit bei reinen Lerninhalten betroffen, kann es für sie hilfreich sein, Karteikärtchen zu verwenden oder auch Gedächtnisprotokolle oder Exzerpte anzufertigen. Wer will, kann sich Lerninhalte aufsprechen und von Zeit zu Zeit anhören.
Orientierungslosigkeit, also nicht mehr zu wissen, wo man ist, wo man wohnt oder wie spät es ist, kann für viele Betroffene sehr belastend sein. Darüber hinaus löst dies Stress aus, der zu noch mehr Orientierungslosigkeit führt. Menschen mit Depersonalisation sollten sich daher nicht scheuen, diesbezüglich auf Hilfsmittel wie Uhren, Straßenkarten, Navis oder entsprechende Apps für Mobilfunkgeräte zurückzugreifen.
Fühlen sich Betroffene in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit ganz und gar eingeschränkt, ist es für sie häufig am hilfreichsten, sich komplett zurückzuziehen. Zumeist handelt es sich hierbei lediglich um begrenzte Phasen mit sehr schlechter Symptomatik, die sich nach einiger Zeit des Rückzugs wieder verbessert. Betroffene sollten in diesen Phasen die Erwartungen an sich selbst zurückschrauben und sich eventuell auch einmal für ein paar Tage krank schreiben lassen.